• AUCOTEAM-Firmengebäude
    Historisches

Die ehemaligen Geschäftsführer erinnern sich

Die Gründung der AUCOTEAM GmbH im Rückblick

Vier der damals fünf Geschäftsführer (v.l.n.r.): Klaus Franz, Wolfgang Lau, Dr. Peter Schmidt, Werner Zuchhold. Zwei von ihnen sind heute noch im Beirat der AUCOTEAM GmbH tätig.

Es war 1990, wenige Monate nach dem Mauerfall. In die Euphorie über die geöffneten Grenzen mischten sich erste Bedenken. Wenn das östliche Wirtschaftssystem zusammenbricht, gehen wichtige Exportmärkte verloren. Eine Währungsunion mit Umstellung der Löhne und Gehälter im Kurs 1:1 würde die Betriebe weiter massiv belasten und schlichtweg wettbewerbsunfähig machen. Hat unser Zentrum für Forschung und Technologie (ZFT) eine Überlebenschance? Die Ereignisse im Kombinat, dem Elektro-Apparate-Werk Berlin-Treptow (EAW), und in der im Umbruch befindlichen Gesellschaft insgesamt, stimmten wenig optimistisch.

Am 1. März 1990 wurde die Treuhandanstalt gegründet. Ihre Aufgabe: Privatisierung der volkseigenen DDR-Betriebe. Betriebe, die schnellen Profit oder Vorteile im globalen Wettbewerb versprachen, fanden bald neue Eigentümer.Industrienahe Forschungseinrichtungen, wie das ZFT des Kombinates EAW, blieben auf der Strecke. Auch das ZFT sollte abgewickelt werden.

Doch so schnell gab man im ZFT nicht auf. Über ein Management-Buy-Out mit Belegschaftsbeteiligung wollte man die bedrohten Arbeitsplätze sichern. In der Belegschaft suchte das Kernteam um die späteren Geschäftsführer Mitstreiter und wurde fündig. 36 Gesellschafter unterschrieben am 30. April 1991 den Vertrag über die Gründung der AUCOTEAM GmbH. Wie aber stellt man ein Unternehmen ohne Geld auf die Beine und wie sichert man seinen Fortbestand? Das neue Unternehmen verfügte zwar über hochkarätige Ingenieure und Facharbeiter, hatte aber keine marktfähigen Produkte und keine Kunden. Denn alle im ZFT entwickelten Produkte wurden bisher in den 28 Kombinatsbetrieben gefertigt und vermarktet. Deshalb musste zwingend ein erstes Konzept zur inhaltlichen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Arbeit entwickelt werden.

Dass sich mehrere gleichberechtigte Personen in der Geschäftsleitung zusammenraufen mussten, hat geholfen, Irrwege zu vermeiden.

Von akademisch bis pragmatisch reichte das Naturell der Geschäftsführer. Und nicht immer schien die Sonne. Aber das Schicksal der fünf Geschäftsführer war über ihr Engagement für die AUCOTEAM GmbH eng miteinander verbunden. Jeder von ihnen musste 1,5 Millionen DM privat verbürgen. Da ein Vermögensaufbau wie in den alten Bundesländern in Ostdeutschland nicht möglich war, gab es fast keine Sicherheiten für benötigte Kredite. Dass es trotzdem geklappt hat, verdankt das Unternehmen:

  • einem vernünftigen Konzept.
  • der Einsatzbereitschaft vieler Mitarbeiter, häufig auch verbunden mit zusätzlichen Einsätzen außerhalb der regulären Arbeitszeit.
  • flexiblen und engagierten Bankfachleuten, besonders bei der IKB und der Volksbank.
  • der damaligen gesellschaftlichen Situation in Deutschland.
  • Die Tilgung der hohen Kreditlast hatte zwangsläufig immer höchste Priorität. Ein Zahlungsverzug hätte die Kündigung der Kredite und damit das Ende von AUCOTEAM bedeutet.

Ein umfangreiches System innerbetrieblicher Regeln für die Auftragsbeschaffung, die fachliche Auftragsbearbeitung und das betriebswirtschaftliche Management waren die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Kunden und Banken. Zur Sicherung der Liquidität waren auch unpopuläre Maßnahmen nötig, wie z. B.:

  • ein striktes Ausgabenregime.
  • das Anwerben von Belegschaftsdarlehen.

Niemand freute sich über diese Maßnahmen, aber die Belegschaft war bereit für die Existenz des Unternehmens und ihres Arbeitsplatzes ihren Beitrag zu leisten.

Die ehemaligen Geschäftsführer möchten sich an dieser Stelle noch einmal bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AUCOTEAM GmbH für ihr Vertrauen und für ihr langjähriges Engagement herzlich bedanken.

Bestrebungen, Partner und damit Kapital aus den alten Bundesländern ins Unternehmen zu holen, scheiterten regelmäßig bereits im Vorfeld. „Wir waren zu verschieden, unsere Firmenphilosophie passte nicht“, so die Quintessenz der Geschäftsführer. „In den alten Bundesländern kam man mit unserem Modell nicht klar.“ Die Gründer sind sich einig: Hätten sie die AUCOTEAM GmbH in den alten Bundesländern oder zu einem anderen Zeitpunkt gründen wollen, wäre das Vorhaben wahrscheinlich nicht durchführbar gewesen.

Uns gibt es noch. Wir können so viel nicht falsch gemacht haben.

Niemand der Gründer hatte Marktwirtschaft gelernt. Unternehmensberater – gute und eher weniger nützliche – versuchten in den alten Bundesländern bewährte marktwirtschaftliche Modelle zu platzieren. Mit wechselndem Erfolg. „Rückwirkend gesehen haben wir Fehlentscheidungen nicht ausgelassen“, geben die Gründer ehrlich zu – ­darunter typische Anfängerfehler. Da wurde:

  • die Bonität eines Kunden nicht gründlich überprüft.
  • ein Auftrag vor Annahme nicht genau durchgerechnet.
  • den falschen Personen vertraut.

Aber auch die Rahmenbedingungen bedrohten das Unternehmen:

  • der überhöhte Kaufpreis für die Immobilie und für die Ausrüstungen.
  • die aufgezwungene Mitarbeiterbindung in der Startphase.
  • die lang andauernden Vertragsverhandlungen mit der Treuhandanstalt.

Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagt: „Die Haltung, so schnell wie möglich um fast jeden Preis zu privatisieren, auch um den Preis der Verschleuderung, hat zu Fehlern geführt.“ *)
Im Fall von AUCOTEAM ging es ausdrücklich nicht um Verschleuderung. Über die Gründe, warum das Firmengebäude so auffallend hoch bewertet wurde und warum zahlreiche sonst nicht bekannte Hindernisse seitens der Treuhandanstalt aufgebaut wurden, lässt sich trefflich spekulieren. Wolfgang Thierse war übrigens einer, der half sie zu überwinden.

Wir haben die Firma nicht gegründet,um reich zu werden.

Ziel der Gründer war es, den eigenen und den Arbeitsplatz der Mitarbeiter sowie den Lebensunterhalt aller Beteiligten und ihrer Familien zu sichern. Statusvorteile oder Maximalprofit waren nie Gegenstand von Überlegungen. Das spürt man auch heute noch bei AUCOTEAM. Unter anderem daran:

  • Zum Geburtstag gratuliert die Geschäftsführung jedem Mitarbeiter persönlich.
  • Das jährliche Sommerfest gilt als Highlight in der Belegschaft.
  • Es gibt eine erfolgsabhängige Entlohnung.
  • Gewinne werden zu großen Teilen reinvestiert.

Das soziale Engagement der Geschäftsführung war und ist ein wichtiger Teil der Firmenkultur und es ist ein Teil des Geheimnisses für den Erfolg der AUCOTEAM GmbH.

Viele der Unternehmen, die Anfang der 90er Jahre unter ähnlichen Voraussetzungen an den Start gingen, sind heute nicht mehr da. Es gibt wenige Erfolgsgeschichten. Die der AUCOTEAM GmbH ist eine.

*) tagesspiegel.de | 01.03.2015

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